Saturday, March 18, 2023
Mehr Geld, weniger Leistung
Am letzten Wochenende habe ich erneut eine Fernfahrt mit der Deutschen Bahn gemacht. Diesmal hat der ICE das volle Programm mitgenommen: Verspätung, umgekehrte Wagenreihenfolge, keine Reservierungsanzeigen, und ein kaputtes Bordbistro. (Das letztere wurde besonders oft hervorgehoben, als ob das primäre Bestreben der Bahn nicht die Beförderung, sondern die Verpflegung ihrer Kunden sei.) Wenn man es sich recht überlegt, ist es ein Wunder, dass wir am richtigen Zielbahnhof angekommen sind.
Die gleiche Fahrt, welche die Bahn früher mit wesentlich weniger Schwierigkeiten bewältigt hat, kostete mich vor ein paar Jahren zwischen 60 und 70 Euro; mittlerweile muss ich mehr als 80 Euro bezahlen. Nun, dass alle Dinge mit der Zeit teurer werden, ist kein Geheimnis; ich möchte in diesem Artikel keinen Vortrag über Inflation halten. Aber ist es nicht bemerkenswert, dass die Preiserhöhungen heutzutage so oft mit schlechter werdenden Leistungen verbunden sind?
In manchen Bereichen des Lebens hat man sich damit abgefunden. Es ist beispielsweise nicht ungewöhnlich, dass eine Tafel Schokolade, die gestern 100 Gramm enthielt, heute nur noch 75 Gramm enthält und dabei gleichzeitig teurer geworden ist. (Und ganz egal, was die Schokoladenhersteller sagen: Sie tun das nicht, weil Schokolade ungesund ist und sie unser Wohlbefinden im Sinn haben, sondern weil sie mehr Profit machen wollen.)
Der Unterschied ist, dass die Schokoladenhersteller sehr wohl in der Lage wären, weiterhin größere Tafeln zu produzieren; sie tun es einfach nicht. Die Bahn hingegen kriegt es nicht auf die Reihe, ihre Züge pünktlich von A nach B fahren zu lassen. Das mit den Preisen ist eine unvermeidliche wirtschaftliche Entwicklung, das mit der Leistung ganz schlicht Inkompetenz.
Denken wir nur mal an den Aufwand, den die Bahn in die Weiterentwicklung ihrer Homepage gesteckt hat. Unterm Strich ist ein Gebilde rausgekommen, dass an allen Ecken und Enden unübersichtlich und unkomfortabel ist, und darüber hinaus so störrisch, dass es dem Besucher ausschließlich an Wochentagen mit einem “L” seine Tickets einwandfrei verkauft. Das Geld hätte man besser investieren können.
Und dann ist da noch der sogenannte “Komfort Check-In”. Man setzt sich auf seinen reservierten Sitzplatz, drückt ein paar Knöpfe auf seinem Smartphone und reist in der Folge ohne Behelligung durch das Zugpersonal - so lautet zumindest die Idee. Sobald man allerdings realisiert, dass die Hälfte der Zugbegleiter die Platzanzeigen nicht lesen kann und die Reisenden trotzdem ziellos wachrüttelt, platzt die Seifenblase. Man begreift, dass man eigentlich nur deren Arbeit macht, ohne irgendeinen praktischen Nutzen daraus zu ziehen.
Das alles bringt uns zur Deutschen Post. Dort ist es ebenfalls üblich, die Preise zu erhöhen (schaut euch mal die Entwicklung der Portogebühren in den letzten Jahren an) und parallel dazu die Leistungen zu verringern bzw. einzustellen. Es heißt, in letzter Zeit hätten die Beschwerden über die Post stark zugenommen. Das glaube ich unbesehen.
Versetzen wir uns im Geist in eine typische großstädtische Post-Filiale. Es ist davon auszugehen, dass von den ungefähr zehn Schaltern lediglich vier besetzt sind. Zwei der Schalterangestellten schwatzen ungeniert miteinander, der dritte kämpft mit defekter Technik, und der vierte kümmert sich allein um die lange Schlange von Kunden (denen man unschwer ansieht, dass sie lieber an einem beliebigen anderen Ort wären).
In kleinstädtischen Gefilden - in einem Milieu, wo man schon wegen ein paar Briefmarken am Schalter steht, weil es keine Automaten gibt - läuft die Sache vielleicht etwas entspannter ab, unter anderem weil es von vornherein nur einen Schalter gibt. Andererseits kann man seine Briefe dort auch direkt selbst abliefern, weil es schneller geht, und damit sind wir wieder beim Komfort Check-In.
Das mag jetzt etwas unfair klingen, weil es irgendwo im Land bestimmt auch produktive Postangestellte gibt. Andererseits sind meine jüngeren Erfahrungen mit der Post ähnlich negativ wie die mit der Bahn. Allein im letzten Monat hatte ich zweimal mit der Post zu tun, und beide Male hat die Zustellung nicht geklappt. In beiden Fällen war die Sendung auf mysteriöse Weise verschwunden; in einem war sie etwas später genauso mysteriös wieder aufgetaucht, im anderen ist sie bis heute verschollen geblieben.
In den Nachrichten hieß es, ein Poststreik würde drohen (bzw. sei vorerst abgewendet worden). Das finde ich reichlich kurios. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich einen Poststreik bemerken würde. Wenn die Postangestellten ihre Arbeit niederlegen wollen, müssten sie diese vorher erst einmal aufnehmen.