Saturday, June 3, 2023

Vom Briefkasten in den Papierkorb

Gestern fand ich in meinem Briefkasten Post vom Finanzinstitut meiner Wahl. Eigentlich war es keine Post, sondern nur Werbung - eine Ansammlung von Gutscheinen, die mit einem maschinell erstellten Anschreiben geschmückt waren. Die Gutscheine waren nicht einmal besonders glücklich gestaltet; erst nach längerem Suchen fand ich heraus, dass ich im Wesentlichen vergünstigten Blechkuchen (1,80€ statt 2,10€ bis Ende Juli in ausgewählten Filialen) und dergleichen erwerben konnte.

Warum sie mir einen solchen Lappen überhaupt zuschicken, ist mir nicht klar. Ich habe zu meiner Bank ein gespaltenes Verhältnis, aber die Chance, dass es durch derartige Präsente besser wird, ist praktisch gleich Null. Ich glaube auch nicht, dass sie das ernsthaft erwarten. Selbstredend wandert der Wisch auf direktem Weg in den Papierkorb. Reklame in dieser Form ist einfach nur lästig, und das ist noch die höfliche Umschreibung.

Viele Institutionen haben sich vor einer Weile das Ziel auf die Fahne geschrieben, zwecks Umweltschutz in Zukunft einen möglichst papierlosen Umgang mit ihren Kunden zu pflegen. (In dieser Richtung tut sich tatsächlich etwas. Wenn sich Geschäftsbedingungen o.ä. ändern, bekam ich früher einen umfangreichen, insgesamt jedoch eher nutzlosen Schriebs mit den Änderungen zugeschickt. Inzwischen bekomme ich stattdessen einen nutzlosen Schriebs mit einem Link und der Empfehlung, mir die Änderungen selbst auszudrucken.) Für Werbepost gilt dieses noble Ziel anscheinend nicht.

Leider kann man sich gegen Reklame kaum wehren. Ich habe auf meinem Briefkasten den üblichen Aufkleber “KEINE WERBUNG” platziert, aber das hilft kaum etwas. Zum einen steht auf manchen dieser Sendungen mein Name, und die Post hat das Recht bzw. die Pflicht, persönlich adressierte Werbung auch wirklich zuzustellen. In einem Fall hat mich eine Firma, mit der ich zuvor geschäftlich zu tun hatte, sogar angerufen, um mir mitzuteilen, dass sie mir einen Katalog schicken würden. Und zwar mit Namensaufkleber und extra eingeschweißt, O-Ton: “damit Sie das nicht mit Werbung verwechseln”. Nur Bekloppte!

Zum anderen gibt es diverse (Klein-)Unternehmen, denen solche Verbote egal sind. Üblicherweise lokale Anbieter von irgendwelchen Leistungen - bei mir zuletzt ein Pizzaservice sowie ein hiesiges Sushi-Restaurant, welches kürzlich neu eröffnet hat. Grundsätzlich hat man hier eine rechtliche Handhabe, allerdings verursacht eine juristische Maßnahme mehr Aufwand, als der Müll wert ist. Das unmittelbarste Ergebnis erzielt man vermutlich, indem man zu ihnen hingeht, den Wisch vor ihren Augen in Fetzen zerreißt und als Gratis-Belag auf ihre Speisen verstreut. Dann können sie aus nächster Nähe beobachten, wie sich ihre Produktqualität durch Reklame verbessert.

Werbung ist nicht nur ein Teil unseres Lebens, sie dominiert es in allen Bereichen. Das obige sind Beispiele im (mehr oder weniger) privaten Umfeld; im öffentlichen Raum sieht die Sache nochmal um ein Vielfaches schlimmer aus. Dort wird man in so gigantischen Mengen von Reklame eingedeckt, dass man eigentlich einen Hirnschaden bekommen müsste. Vermutlich geschieht das schlicht und einfach deshalb nicht mehr, weil wir uns daran gewöhnt haben, d.h. weil wir den Hirnschaden bereits hinter uns haben.

Es gab eine Zeit, da waren Werbespots kreativ und unterhaltsam. Unvergessen sind das Geschirrspülduell zwischen Villarriba und Villabajo, die “MAOAM”-rufende Zuschauertribüne und natürlich der Nescafé-Klassiker “Ich habe gar kein Auto” aus den Neunzigern. Bedauerlicherweise liegt diese Phase lange hinter uns. Für die Werbeproduzenten von heute scheint ein einziges Credo zu gelten: Es muss aufdringlich sein.

Besonders angetan haben es mir in letzter Zeit Jobbörsen. Da gibt es zum Beispiel einen Wichtigtuer mit Megafon und Hackfresse, der vor und nach Fernsehsendungen im Abendprogramm seine Zielgruppe regelrecht anbrüllt. Außerdem ist da noch eine hysterische junge Frau, die mir ihr “Omi, ich hab den Job!” ins Ohr knallt, bevor ich mich geistig darauf einstellen kann. Ich nehme an, dass ich mich glücklich schätzen darf, weil ich auf derart penetrante Dienstleister nicht angewiesen bin.

Wenn ich außer Haus gehe, blinkt und leuchtet es an so ziemlich allen Hauswänden, Dächern, Bushaltestellen (und den Bussen selbst), usw. mit mehr als anderthalb Quadratmetern Nutzfläche. Diverse Firmen betreiben sogar einen erheblichen Aufwand, um die Werbefläche künstlich zu vergrößern. Beispielsweise waren in meiner Umgebung in den letzten Monaten einige übergroße Aufsteller von DAS FUTTERHAUS aufgetaucht - einem Anbieter, dem ich so gar nichts abgewinnen kann, schon allein weil ich gerade keinen gelben Hund brauche.

Mein persönlicher Umgang mit dem Thema sieht so aus, dass ich seit längerem versuche, um Produkte mit nerviger Reklame einen Bogen zu machen. Je unsympathischer ich den Werbeauftritt finde, umso größer der Bogen. Als ich auf der Suche nach einer günstigen Versicherung war (und meine Recherchen keinen klaren Gewinner hervorbrachten), habe ich aus der engeren Auswahl diejenige rausgeschmissen, für die Til Schweiger Werbung macht. Ich weiß nicht, ob eine solche Reaktion objektiv etwas bringt, aber man fühlt sich hinterher zumindest etwas besser.