Wednesday, October 23, 2024

Perfekte Landung

Vorhin habe ich nach Feierabend noch eine kleine Besorgung erledigt. Dabei habe ich es geschafft (ohne dass ich diesbezüglich irgendeine Anstrengung unternommen hätte), für sechs Artikel exakt 30 Euro auszugeben. Wenn man bedenkt, wie unrund die Preise im Alltag typischerweise aussehen, halte ich das für ein mittelgroßes Wunder, und ich habe beschlossen, ein paar kurze Sätze darüber zu schreiben.

Das ist nicht das erste Mal, dass mir eine solche Punktlandung gelingt, aber es kommt definitiv selten vor. Von einem meiner früheren Arbeitgeber wurde ich mit einer Mitarbeiterkarte ausgestattet, die es mir erlaubte, von dem hiesigen Snackautomaten Gebrauch zu machen. Die Preise waren völlig obskur und wahrscheinlich ausgewürfelt, z.B. 68 Cent für einige Schlucke Kakao, oder 83 Cent für ein paar Happen von etwas, das bei schlechten Lichtverhältnissen als Kuchen durchging - ihr habt sicher eine Vorstellung. In unregelmäßigen Abständen hatte ich die Karte mit 10-Euro-Scheinen aufgeladen, aber am Ende meines Beschäftigungsverhältnisses war ich exakt wieder bei Null. Booyah!

Es gab mal eine Zeit, da waren die Preise rund und überschaubar. Dann kam ein Genie auf die Idee, für eine Kleinigkeit anstelle von 5 Einheiten der ortsansässigen Währung nur 4,99 zu verlangen, und von einem Tag auf den anderen stand die Welt Kopf. Die Marketing-Idee dahinter bestand vermutlich in der Erwartung, dass die Preisreduzierung bei Kunden psychologisch erheblicher wirkte, als sie tatsächlich war. Es ist davon auszugehen, dass die Überlegung auch funktioniert hat, denn quasi der gesamte Markt sprang auf den Zug auf und bis heute nicht wieder herunter.

Das Ganze läuft übrigens auf jeder Ebene ab, nicht nur bei Kleinangeboten. Wenn man, sagen wir, ein Auto für 35000 Euro kauft, dann liegt der angepriesene Preis geringfügig niedriger. Die Ersparnis ist so minimal, dass sie nach zwei Pinkelpausen an der Autobahn - und damit meine ich keinen Getränkekonsum, sondern wirklich nur die reine Erleichterungsgebühr - schon wieder fort ist. In der Zeit, die ein Händler benötigt, um das Preisschild nach unten zu korrigieren, hat allein die Inflation schon stärker in die Gegenrichtung zugeschlagen.

Das wirklich Ärgerliche an der Sache ist, dass inzwischen kaum jemand mehr einen Vorteil aus der Maßnahme ziehen kann, denn die gleiche Strategie wird von allen Konkurrenten gleichermaßen verfolgt, und man hat sich daran gewöhnt, dass die Preise nicht mehr auf 0, sondern auf 9 enden. Im Klartext bedeutet dies, dass wir mittlerweile alle nur noch aus Tradition mit unhandlichen Werten rechnen müssen. Im Prinzip könnte man den Schritt zurück gehen und aus 4,99 wieder überall 5,00 machen. Doch das tut natürlich keiner, folglich wird uns die besagte Konsumschikane dauerhaft erhalten bleiben.

Sofern man immer bar bezahlt, häuft man dadurch beträchtliche Mengen von kleinen Münzen an. Ich gehe davon aus, dass die meisten meiner Mitbürger mal irgendwann in ihrem Leben eine Dose mit 1-Cent-Stücken in ihrem Haushalt verwaltet haben - nicht um damit etwas Sinnvolles zu tun, sondern schlicht weil sich das Blech immer weiter angesammelt hat und im Portemonnaie auf Dauer zu schwer wurde.

Der Supermarkt meiner Wahl ist mit der Frivolität noch einen Schritt weiter gegangen. An dessen Eingang findet man jetzt einen Münzautomaten, in dem man für das akkumulierte Altmetall einen Bon erwerben kann, der die Tasche wesentlich weniger nach unten drückt, und den man beim Einkauf bequem einlösen kann. Der Automat nimmt (und das ist die eigentliche Frechheit an der Sache) eine Umtauschgebühr von 10%, d.h. man verliert bei der Aktion einen Teil des Zwangseingesparten und belohnt die Idioten, die sich den Schwachsinn ausgedacht haben, so noch einmal zusätzlich.

Irgendwann kam mir eine bessere Idee, mit der ich es den Verantwortlichen im wahrsten Sinne des Wortes mit gleicher Münze heimzahlen konnte. Ich habe die oben erwähnte Dose eingesteckt und mit ihrem Inhalt genau das getan, wozu er gedacht war, nämlich bezahlt. Genauer gesagt bin ich in ein Elektrogeschäft gelaufen, habe mir irgendeinen Artikel gesucht, den ich sowieso haben wollte (ich glaube, es war ein Leuchtkörper für 17,99 oder sowas), den Betrag passend abgezählt und der Verkäuferin einen riesigen Haufen Geldstücke vor die Füße gekippt. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie auf diesen Schock bis heute Medikamente nehmen muss, aber rein rechnerisch hat sie exakt das bekommen, was ihr zustand.

Die Moral von der Geschichte ist, dass man es sich nicht gefallen lassen muss, wenn einem die Händler blöd kommen; man kann ihnen genauso blöd entgegengehen. Denn man darf nicht vergessen, dass sie dem Kunden eine Unannehmlichkeit aufgedrückt haben, um sich grundsätzlich selbst zu bereichern. (Sie gehen mit dem Preis nicht runter, um uns einen Gefallen tun!) Insofern halte ich eine solche Reaktion für nur angemessen. Und selbst wenn die erhoffte Wirkung ausbleibt, habe ich zumindest die Erfahrung gemacht, dass man sich danach besser fühlt.