Sunday, January 5, 2025

Kriegen wir wieder eine Regierung?

Die Frage ist ernst gemeint. Voller Sorge blicke ich den Neuwahlen entgegen, bei denen nach jetzigem Stand eine Handvoll Parteien jeweils ein so mittelgroßes Stück vom Kuchen abbekommen wird, dass es hinten und vorn nicht für ein mehrheitsfähiges Bündnis reicht. Kanzlerkandidaten gibt es genug (Olaf Scholz, Friedrich Merz, Elon Musk), nur das mit den Prozenten könnte ein Problem werden.

Die SPD schickt wahrscheinlich Scholz ins Rennen. Genauer gesagt schickt er sich wohl selbst ins Rennen, so wie es Joe Biden in den USA beinahe getan hätte. Dort hatte dieser Schachzug wahrlich keinen Erfolg; andererseits könnte ich mir vorstellen, dass es bei uns am Ende gar nicht darauf ankommt. Denn die SPD ist zur Zeit die farbloseste aller großen Parteien im deutschen Spektrum, und wenn man den Kandidaten Scholz durch eine andere Flachnase wie Hubertus Heil ersetzen würde - wer würde das überhaupt merken?

CDU und CSU haben sich auf Merz als Fraktionskandidaten verständigt. Er hat - im Gegensatz zu Scholz - zumindest so etwas wie ein politisches Profil, nur leider in meinen Augen kein gutes. Seit ein paar Wochen poltern er und Markus Söder lautstark herum, wer auf keinen Fall in die neue Regierung darf, als ob sie allein darüber zu befinden hätten. Mehr oder weniger kategorisch ausgeschlossen haben sie schon mal die Sozialdemokraten, die Grünen, sowie halbherzig die AfD und das BSW. Nur bleibt dann allerdings nicht mehr viel übrig.

Die restlichen Parteien haben sich inzwischen auch dazu geäußert, wer konkret für sie im Februar scheitern soll. Die größten Töne spuckt Christian Lindner, den ich hier einfach nicht übergehen kann. Mit hypothetischen Ergebnissen, die nicht einmal dann realistisch wären, wenn jeder FDP-Anhänger zehn Kreuze machen dürfte, wirbt er für Schwarz-Gelb. Naja, wenn es dafür reicht, dann vermutlich auch einfach für Schwarz.

Ich weiß ja nicht, was für eine Substanz sich die FDP-Politiker vor einer Pressekonferenz immer einwerfen, aber es muss ein geiles Zeug sein. Nachdem sie durch ihr Handeln Ende 2024 (Stichwort: “D-Day”-Papier) bewiesen haben, dass sie für Koalitionsbildungen generell nicht vertrauenswürdig sind, stellen sie sich ein ums andere Mal vor Kameras hin und verkünden im Brustton der Überzeugung, dass ohne die FDP in Sachen Regierung gar nichts geht. Viel mehr Größenwahn ist kaum vorstellbar.

Nach meiner Wahrnehmung scheint bisher keine der besagten Parteien so richtig begriffen zu haben, dass es ohne Bündnis- und Kompromissbereitschaft am Ende schlichtweg nicht klappen wird. Eigentlich ist es erschreckend. Und die einzige Ausnahme stimmt mich nicht gerade optimistisch: Die AfD würde sicher gern mit jemandem koalieren, um eine Mehrheit zu erzielen (nicht aus Nächstenliebe - so etwas kennt man bei denen nicht - sondern weil es in ihr politisches Kalkül passt). Ein Jammer, denn im Gegensatz zu den anderen Parteien machen sie damit allmählich Fortschritte.

Die beiden Linken sind immer etwas außen vor, wenn es um Bündnisbildung geht. Das ist insofern kurios, weil ihr Parteiprogramm auch nicht wesentlich abstruser als das ihrer Konkurrenten ist. Im Grunde wollen sie genauso Freiheit und ein gewisses Mindestmaß an Wohlstand für die deutsche Bevölkerung, wie es beispielsweise CDU und SPD behaupten, nur dass sie mit dem Begriff “Bevölkerung” im Gegensatz zu allen anderen nicht bloß die reichsten fünf Prozent meinen.

Es gibt jedoch Hoffnung. In der Theorie entstehen Kompromisse ja oft auf der Basis von Gemeinsamkeiten; diesem Prinzip kann sich selbst die Politik nur schwer verschließen. Und dank der Äußerungen eines gestörten, menschenverachtenden Milliardärs von der anderen Seite des Ozeans haben alle Parteien - außer der AfD - jetzt einen neuen kleinsten gemeinsamen Nenner entdeckt, nämlich die Erkenntnis, dass Elon Musk ein Schwachkopf ist. Darauf müsste man doch aufbauen können, oder?