Saturday, February 1, 2025
Schöne neue Welt
Kürzlich hat Mark Zuckerberg angekündigt, in Facebook den Faktencheck loswerden zu wollen. Nur Bekloppte! Dass die Milliardäre machen, was sie wollen, ist eigentlich nichts Neues. Insbesondere wenn es um die CEOs, CTOs usw. von sozialen Netzwerken geht, könnte man jedoch auf die Idee kommen, dass sie dort eine gewisse Verantwortung tragen und selbiger auch nachkommen. Nix da! Sie drehen sich die Dinge zurecht, wie es ihnen passt, und erfahrungsgemäß passen ihnen Fakten nun mal nicht.
Ich hatte für die Musks und Zuckerbergs dieser Welt nie viel übrig, aber seit Donald Trump an der Macht ist, haben sie noch einmal zusätzlich Oberwasser bekommen. Nicht nur, dass Trump selbst recht wenig von Fakten hält; er lässt auch denjenigen, die die Wahrheit zugunsten ihres eigenen Weltbildes unterdrücken wollen, weitestgehend freie Hand. Es ist eine deprimierende und verstörende Entwicklung, denn im Gegensatz zu so manchen anderen “Projekten” der Superreichen muss hier die gesamte Gesellschaft den Preis dafür bezahlen.
Trumps eigener Umgang mit der Wahrheit ist, seit er Präsident ist, recht selektiv, um es mal vorsichtig auszudrücken. (Möglicherweise auch schon vorher, bloß dass da noch niemand davon Notiz genommen hat.) In letzter Zeit scheint ihm daran gelegen zu sein, seinen politischen Gegnern die Schuld an allen schlimmen Dingen zu geben, die in seinem Land so passieren, sei es nun das Feuer in Kalifornien oder ein Flugzeugunglück in Washington. Ob sich die Schuldzuweisungen auch sinnvoll begründen lassen, ist dabei völlig unerheblich.
Im Übrigen wird er demnächst wahrscheinlich erzählen, dass Grönland seit jeher amerikanisches Territorium ist, und dass die Dänen es gestohlen haben - ungefähr so wie in seinen Augen die Demokraten 2020 die Wahl gestohlen haben. Ich habe keine Ahnung, welche Story er für Panama erfindet, aber es wird sicher ebenfalls darauf hinauslaufen, dass das Land schon immer den USA gehört hat und ihnen insofern die alleinige Kontrolle über den besagten Kanal zusteht. Wenn wir nicht aufpassen, wird die Wahrheit bald aus den Geschichtsbüchern verschwinden, genauso wie der Golf von Mexiko aus den Geographiebüchern verschwindet.
Dieser Tage kann man generall kaum Gutes über die Regierung Trump II berichten. In seiner vorigen Amtsperiode hat er bereits begonnen, Leute in wichtige Positionen zu bringen, die zwei Dinge mit ihm gemeinsam haben, nämlich eine gehörige Portion Selbstverliebtheit sowie die Neigung, Frauen gegen ihren Willen in den Schritt zu fassen. Dort wo er vor vier Jahren aufgehört hat, macht er jetzt weiter. Am deutlichsten kann man seine “Strategie” erkennen, indem man schaut, wen er in sein neues Kabinett holt.
Zum Verteidigungsminister wird ein Fox-Moderator ernannt, der nie auch nur die geringste Qualifikation für diesen Posten vorgewiesen hat - einfach weil er Trump in der Vergangenheit regelmäßig gebauchpinselt hat. Ein Impfgegner wird Gesundheitsminister. Ein Klimawandel-Leugner wird Umweltminister. Linda McMahon, die Frau des Wrestling-Moguls Vince McMahon, wird Bildungsministerin. (Das heißt dann wohl, die Kids in den USA lernen demnächst nicht mehr Algebra, sondern Smackdown.) Und Elon Musk, welcher unter anderem den Wertverlust von Twitter in einer Höhe von über 30 Milliarden Dollar zu verantworten hat, wird das Weiße Haus im Umgang mit Geld beraten.
Einerseits ist es wie gesagt schockierend. Andererseits hat sich eine solche Entwicklung lange angebahnt. Leute wie Donald Trump sind nicht einfach eine vorübergehende Laune der Natur, sondern das Ergebnis eines langen Trends, gegen den sich der Rest der Welt nicht bzw. nur unzureichend zur Wehr gesetzt hat. Es geht schon seit geraumer Zeit nicht mehr darum, was richtig oder falsch ist; entscheidend ist lediglich, was die meisten Likes bringt. Jetzt sind die Wahrheitsverdreher an der Macht, und wir haben den Salat.
Wie so oft bietet sich ein Blick nach Deutschland an. Und wie es leider so oft der Fall ist, sieht es hierzulande kaum besser aus. Zwar steht bei uns nicht die Wahrheit im eigentlichen Sinne auf dem Spiel, aber immerhin der Umgang mit Prinzipien, genauer gesagt deren Niedergang. Unter dem Stichwort “Brandmauer-Debatte” wird diskutiert, ob sich Politiker an ihre eigenen Versprechen halten müssen, wenn es darum geht, dass sie eine Zusammenarbeit mit der AfD offiziell immer kategorisch ausgeschlossen haben. Und die CDU unter Friedrich Merz hat ihren Standpunkt dazu jetzt klargemacht.
Im Zentrum der Geschehens steht der von der CDU eingebrachte und von der AfD zur Mehrheit getragene 5-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik. Merz selbst sieht die Verantwortung hierzu bei allen anderen Parteien, nicht bei der CDU. “Ihr hättet uns ja alle zustimmen können, dann wäre es nicht auf die Stimmen der AfD angekommen.” So oder ähnlich stellt er die Sache dar. Es ist politische Erpressung in Reinform. Angesichts der Umstände kommt sogar die FDP ins Hadern, und wenn man deren Verständnis von politischer Loyalität berücksichtigt, will das wirklich etwas heißen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Geschichte sich daran erinnert, was hier und heute geschehen ist. Mit etwas Glück werden künftige Generationen die laufende Woche als “Perfiden des Merz” in Erinnerung behalten. Leider müssen wir uns in der Gegenwart erstmal mit dem Schlamassel herumschlagen, den die CDU angerichtet hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht angebracht, dass wir über die USA unter Donald Trump lästern und spotten, solange wir im eigenen Land eine Partei wählen, welche moralische Werte mit Füßen tritt.