Saturday, September 20, 2025
Quickie: Es ist mal wieder so weit
Neulich auf dem Heimweg vom Büro bin ich an einem zentralen Knotenpunkt in meinem Stadtteil vorbeigekommen und habe mit Erschrecken festgestellt, dass schon wieder die Buden fürs Oktoberfest aufgestellt werden, wie es jedes Jahr ungefähr um diese Zeit geschieht. Im Geiste kann ich mich bereits darauf einstellen, dass demnächst über eine erhebliche Distanz hinweg laute und - nach meinem Geschmack - unschöne Musik an mein Ohr dringen wird, während gleichzeitig eine Menge Leute ihre Zurechnungsfähigkeit verlieren und anschließend auf den Fußwegen miteinander, mit mir und eigentlich auch so ziemlich allen anderen Passanten kollidieren werden.
Das Oktoberfest ist eine Erfindung des Satans, der vor langer Zeit in den Geist einiger Volksvertreter eingedrungen ist und selbigen eingeflüstert hat, es müsse ein großes, regelmäßiges Fest geben, um die Bürger in eine berauschte Stimmung zu versetzen und dadurch temporär ihren Alltag zu verschönern. Um diese Stimmung zu erzielen, brauchte es früher nur eine Handvoll Personen, die zusammen standen und “Da steht ein Pferd auf’m Flur” grölten (wobei etwa die Hälfte von ihnen den Text kannte). Nun, mit dieser Größenordnung geben wir uns heute natürlich nicht mehr zufrieden.
Es ist ein in meinen Augen bedenklicher Aspekt, dass die Reizüberflutung, der wir täglich ausgesetzt sind, einen Suchtcharakter hat, d.h. wir benötigen langfristig eine immer größere Menge, um noch die gleiche Begeisterung in unseren Köpfen zu erzielen. Inzwischen gibt es bei uns Oktoberfest, Weihnachtsmarkt, dreimal im Jahr Hamburger Dom und noch eine beträchliche Anzahl weiterer, künstlich in unser Leben geführter Anlässe, die uns in Ekstase versetzen sollen. Übrigens fallen 34 Spieltage Fußball-Bundesliga pro Saison für mich in die gleiche Kategorie, denn das sportliche Element ist schon lange in den Hintergrund gerutscht. Aber ich schweife ab.
Worauf uns Luzifer damals - bewusst, nehme ich an - nicht hingewiesen hat, sind die negativen Auswirkungen, welche der Rauschzustand mit sich bringt. Wir sind nicht mehr vollständig Herr unserer Sinne, sowohl unmittelbar während des Events als auch noch eine Weile danach. Wohlgemerkt beziehe ich mich hierbei nicht nur auf den Alkohol (wobei dieser natürlich eine zentrale Rolle spielt). Selbst nüchterne Menschen neigen beim Feiern dazu, ihre Hemmschwelle zu senken, und handeln in der Folge unbedächtig, undiszipliniert und generell unkontrolliert. Das liegt in der Natur der Sache; das Bier verstärkt die besagten Effekte um ein Vielfaches, darf jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass abstinente Menschen automatisch Heilige sind.
Am Ende der jährlichen Feierlichkeit sind immer wieder immense Sach- und Personenschäden zu beklagen. Allerdings kümmert man sich beim Oktoberfest typischerweise nicht sonderlich um das, was später kommt. Streng genommen ist fehlende Weitsicht ein integraler Bestandteil unserer gesamten Existenz geworden, aber da dies ein Quickie sein soll, möchte ich mich jetzt nicht über Politik, Wirtschaft und Klimawandel auslassen. Nur so viel: Wenn ihr in den nächsten Wochen besonders gute Laune verspürt und gleichzeitig merkt, dass ihr nicht mehr bis drei zählen, geschweige denn ein Auto lenken könnt, dann solltet ihr entscheiden, dass es genug ist. Eure Mitmenschen werden es euch danken.