Monday, November 11, 2024
Müll auf allen Ebenen
Während ich vorhin draußen war, ist mir - wieder einmal - aufgefallen, wie viel Abfall heutzutage auf den Fußwegen herumliegt. Hamburg ist eine Großstadt mit fast zwei Millionen Einwohnern; ihr mögt also einwenden, dass ein bisschen Müll hier und da unvermeidlich ist. Andererseits kann man in Hamburg von einem beliebigen Standort aus kaum 50 Meter in eine Richtung gehen, ohne an einer Tonne vorbeizukommen. Es ist also grundsätzlich möglich, die Zigarettenschachtel, die Coladose oder die Chipstüte vernünftig zu entsorgen, wenn man sie nur zehn Sekunden länger durch die Gegend trägt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Warum sind die Leute nicht bereit, diese zehn Sekunden in etwas Sauberkeit auf der Welt zu investieren? Ich glaube nicht, dass Menschen charakterlich gut oder schlecht auf die Welt kommen. (Genau genommen denke ich, dass jeder unter diese beiden Begriffen etwas anderes versteht, so dass eine Diskussion diesbezüglich ohnehin nutzlos ist, solange es keine einheitliche Definition gibt.) Aber ich bin der Überzeugung, dass Menschen von vornherein erstmal egoistisch sind. So hat uns die Natur erschaffen.
Ein Crashkurs zum Thema Evolution. Über Millionen von Jahren hinweg haben sich die besten Gene dadurch durchgesetzt, dass jeder in erster Linie für sich selbst gekämpft hat. Und abgesehen davon, dass hin und wieder ein Brocken vom Himmel gefallen ist und die führende Fauna ausradiert hat, hat das im Großen und Ganzen auch gut funktioniert. Neben diesem Grundkonzept gibt es ein paar Evolutionstricks, mit denen eigentlich unterlegene Arten trotzdem überleben können, insbesondere das Ausweichen in andere Ökosysteme, damit verbunden die Anpassung an veränderte Lebensbedingungen, und die Kooperation von Individuen. Wenn es diese Optionen nicht gäbe, wären wir heute nicht hier.
Der Mensch ist, das hatte ich an anderer Stelle schon mal angedeutet, nicht ansatzweise das stärkste, zäheste oder ausdauerndste Tier in seinem Lebensraum. Sogar die genetische Crème de la Crème unter uns kann es körperlich nicht mit einem ausgewachsenen Löwen, Büffel oder Elefanten aufnehmen. Wir haben uns durchgesetzt, weil wir uns zusammengetan haben (bis zu dem Punkt, wo Personen das Gemeinwohl über ihr eigenes Wohl stellen), und weil wir kollektiv unseren Intellekt genutzt haben, um Werkzeuge und Technologien zu entwickeln, mit denen wir die Natur beherrschen können.
Doch wo hat uns das hingebracht? Selbst wenn wir einmal die Ausrutscher Donald Trump und Elon Musk ignorieren, die gerade auf der anderen Seite der Erdkugel das Treiben verrückt machen, kann man wohl kaum bestreiten, das wir evolutionär meilenweit vom Weg abgekommen sind. Inzwischen kontrollieren wir unser Ökosystem nicht nur, wir vernichten es im gleichen Atemzug. Jeder Schritt, den wir vorwärts gehen, ist für unseren Planeten ein Schritt dem Abgrund entgegen.
Und warum ist das so? Weil wir inzwischen an einem Punkt angelangt sind, wo die Menschen wieder fast nur noch an sich selbst denken. Und zwar in jeder Lebenslage, ob es nun um ein grundsätzliches Verhalten wie das Anscheffeln von materiellen Gütern geht, oder nur um Trivialitäten wie das Vordrängeln im Straßenverkehr und beim Schlangestehen. Und eben auch bei der Müllentsorgung, wo das Fallenlassen von Abfällen aus Bequemlichkeit erfolgt und das höhere Ziel - ein sauberes Umfeld für die Gemeinschaft - praktisch keine Relevanz mehr besitzt.
Wenn es um Müll in unserer Gesellschaft geht, darf die FDP natürlich nicht unerwähnt bleiben. Zwar bin ich allgemein nicht besonders angetan von dem, was Olaf Scholz so “leistet”. Aber indem er Christian Lindner rausgeschmissen hat, kann er zumindest auf eine gute Tat in seiner Legislaturperiode zurückblicken. Der Haken an der Sache ist, dass ein viel größerer Berg Abfall schon bereit liegt und nur darauf wartet, uns zu überrollen. Er nennt sich “Chaos Durch Unfähigkeit”, glaube ich, und wird die Politlandschaft über Jahre hinweg mindestens ebenso stark verunstalten, wie es ein Haufen weggeworfene Coladosen auf einer grünen Wiese tut.
Generell sind die Politiker von heute ein Musterbeispiel für das, was ich oben beschrieben habe. Entgegen der ursprünglichen Konzeption einer Volksvertretung dient ihr Wirken primär dem Zweck, sich selbst von Nutzen zu sein, nicht der Gesellschaft, aus der sie hervorgegangen sind. Sie lassen sich in den Bundestag wählen, treffen dort eine abgrunddämliche Entscheidung nach der anderen, und selbst nach ihrem Ausscheiden werden sie von uns noch weiter versorgt. Kurz gesagt, sie lassen es sich auf unsere Kosten gut gehen. Die Wissenschaft kennt dafür ein Wort: Parasitismus.
Die FDP ist, was das angeht, völlig verdorben. Trotz ihrer Schwierigkeiten mit der Fünf-Prozent-Hürde hält sie sich aus unerfindlichen Gründen für unverzichtbar und schmiedet bereits umfangreiche Pläne für die Zeit nach den Neuwahlen. Aber die Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion finde ich genauso schlimm. Seit dem Beginn ihres Daseins als Opposition fordern, fordern, fordern sie nur, und jetzt verhalten sie sich so, als hätten sie ganz allein über einen Regierungswechsel zu befinden. Jedes einzelne Wort eines Merz oder Söder zeigt deutlich auf, dass sie sich nur um sich selbst scheren, nicht um das Gemeinwohl.
Ich glaube nicht, dass wir darauf hoffen können, dass die Abgeordneten von heute auf morgen plötzlich auf dem Pfad der Selbstlosigkeit wandeln werden. Was wir hingegen tun können, ist an unserem eigenen Verhalten zu arbeiten. Damit meine ich insbesondere, mehr Bewusstsein für die Gemeinschaft zu entwickeln und unseren Müll korrekt zu entsorgen. Und wer weiß, wenn wir es heute schaffen, im Kleinen des Abfallproblems Herr zu werden, dann vielleicht morgen auch im Großen?